Corona Crash 2.0? Warum dieses Mal (nicht) alles anders ist.

Der „erste“ Corona Crash schien längst verdaut. Dank der ungeteilten Unterstützung diverser Notenbanken setzten die Börsen im vergangenen Jahr zum Höhenflug an und erreichten auch 2021 neue Allzeithochs. Am Freitag dann der Schock: Die erstmals in Südafrika registrierte Virus-Variante B.1.1.529 hat den europäischen Kontinent erreicht. Zeitgleich melden Behörden in Hongkong erste Fälle. Droht uns nun ein Corona Crash 2.0? Allein der DAX gab am Freitag knapp 5 Prozent nach.

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Schmerzhaftes Deja vu

Geschichte wiederholt sich. Auch an der Börse! Diesen Eindruck dürften zumindest solch Aktionäre erhalten haben, die am Black Friday nicht nur geshoppt, sondern einen Blick in ihr Depot geworfen haben. Sämtliche Indizes gaben nach, Einzelwerte verloren bis zu 20 Prozent und auch selbst Dickschiffe mussten Federn lassen. Grund? Ein Virus, das erstmals vor 2 Jahren registriert, etliche Wochen ausgeblendet und letzten Endes zur Bedrohung der Weltwirtschaft wurde. Jetzt, im November 2021, wütet selbiges Virus (in veränderter Form) erneut und versetzt den weltweiten Finanzmarkt auf ein Neues in Panik.

Im Vergleich zur nun registrierten Mutante B.1.1.529 wirkt der ursprüngliche Corona-Virus-Stamm des Typs SARS-CoV-2 nahezu harmlos. Auch die zuletzt viel diskutierte und deutlich aggressivere Delta-Variante (B.1.617.2) wird von der neuen Virusform in den Schatten gestellt. Allein das sogenannte S-Protein soll 32 Mutationen in sich tragen und somit wesentlich leichter in Zellen eindringen können. Auch in die Zellen von geimpften Personen! Ergo ist B.1.1.529 zumindest rechnerisch betrachtet doppelt so ansteckend wie die Delta-Variante, die mit 15 Mutationen bisweilen als die gefährlichste Corona-Virus-Variation galt. Es ist jedoch weniger die rasante Verbreitung des neuen Virus, die im Moment beunruhigt: Ob und inwieweit die bisherigen Impfstoffe gegen B.1.1.529 schützen, ist völlig offen. Im Worst-Case-Szenario dürfte ein (erneuter) Lockdown drohen. Diesmal könnte dieser jedoch härter und vermutlich länger ausfallen. Gedanken, die Klein- und Großanlegern nicht gefallen!

new-strain-coronavirus-b11So gefährlich wie nie zuvor? Die Mutante B.1.1.529 hat das Potenzial, die bisherigen Schutzmaßnahmen auszuhebeln. Derweil ist zu befürchten, dass sämtliche Impfstoffe wirkungslos sind.

Schwarzer Schwan im neuen Gewand?

„Dieses Mal ist alles anders“ – so denken viele Anleger. Alte Börsenhasen wissen jedoch, dass auf jeden Crash der Aufschwung folgt. Aktien verkaufen während eines Crashs? Keine gute Idee! Das Problem: Ein Zusammenbruch an der Börse resultiert stets aus unerwarteten, neuen und nicht abzuschätzenden Entwicklungen. Der „schwarze Schwan“ tritt urplötzlich auf und verunsichert zunächst viele Marktteilnehmer. Ein Großteil der Privatinvestoren verkraftet die ersten Kursrücksetzer, wohingegen viele Profis und Institutionelle bereits Kasse machen. Dann greift die „Rette sich wer kann“-Mentalität um sich. Auch Kleinanleger trennen sich von ihrer Wertanlage und nehmen Abschläge von 10, 20 oder gar 50 Prozent in Kauf! Wer also nicht in den ersten Stunden eines Crashs, sondern erst Tage später verkauft, macht Verluste.

Der perfekte Sturm

Zugegeben: Es ist keineswegs ausgemacht, ob die Impfstoffe aus den Häusern Biontech und Moderna wirkungslos gegen B.1.1.529 sind. Die m-RNA-Technik gilt schließlich aufgrund ihrer „Programmierbarkeit“ als überaus effizient im Kampf gegen das Corona-Virus. Bis Klarheit über die Immunantwort besagter Impfstoffe herrscht, gehen jedoch viele Experten vom schlimmsten aus. Ebenso wie die Börse, die bekanntermaßen gerne übertreibt. Sorgen sollten sich jedoch alle mit Vaxzevria geimpfte Personen, denn der Vektor-Impfstoff von AstraZeneca zeigt bereits gegenüber der Delta-Variante eine unzureichende Immunantwort. Selbiges gilt für das Vakzin von Johnson & Johnson.

Im Alltag muss die Maxime demnach weiterhin „Abstand halten“ lauten! Die Impfkampagnen sind in etlichen Ländern ins Stocken geraten und treffen vielerorts auf massiven Widerstand. Des Weiteren steht nicht fest, inwieweit das „Boostern“ einen nachhaltigen Effekt auf die Immunantwort von Geimpften haben wird. Interessant: Der heftige Abverkauf am „Schwarzen Freitag“ könnte nicht nur die Folge der neu gesichteten Mutante sein. Ein Blick auf die aktuellen Krisenherde offenbart, welche Themen neben Corona die Stimmung am Börsenparkett drücken.

Belastungsfaktoren im Überblick

– Steigende Inflationsraten
– Zurückfahren der Anleihenkäufe durch Notenbanken
– Gefahr von anziehenden Zinsen
– Zunehmender USA-China-Konflikt
– Chipleiter-Mangel
– Gestörte Lieferketten
– Grundsätzlicher Asset-Abschwung (Gold, Kryptowährungen, Öl)
– Drohende Militäroffensive in der Ukraine

Gewinner gibt es immer

Angesichts der unzähligen Belastungsfaktoren für die Finanzmärkte erschien der jüngste Rücksetzer nahezu unausweichlich. Letztendlicher Auslöser für die heftige Korrektur am Freitag waren jedoch ohne Frage die Meldungen über B.1.1.529. Und so stammten die größten Verlierer auch aus den Bereichen Tourismus und Gastronomie. Neben den Aktien des Reiseveranstalters TUI und der Lufthansa verloren zum Beispiel die Papiere von Carnival und Royal Carribbean (Kreuzfahrt), diversen Hotelketten, Casino-Betreibern und sogar Fast-Food-Ketten à la McDonald`s kräftig an Wert. In der Spitze stand manch ein Titel bis zu 16 Prozent im Minus!

Die gute Nachricht: Angesichts einiger (weniger) Gewinner scheint der Gesamtmarkt von einem „richtigen“ Crash noch entfernt zu sein. Wenig überraschend profitierten zum Beispiel Biontech und Moderna von der Schockmeldung über die Verbreitung der Südafrika-Variante. Aber auch Impfstoffhersteller aus der zweiten Reihe wie Novavax, Valneva auch der zuletzt abgeschriebene Kandidat Curevac konnten zulegen, teils um bis zu 10 Prozent.

Weitere Profiteure der Lockdown-Panik waren im Bereich der Labortechnik und Diagnostik auszumachen. Aktionäre von Qiagen und Nanorepro etwa freuten sich über einen grünen Kursverlauf. Des Weiteren konnten „Stay At Home“ Aktien zulegen. Anteilsscheine von Hellofresh, Teamviewer und Zoom etwa notierten zu Börsenschluss im Plus. Sogar Gaming Aktien wie die solche der schwedischen Embracer Group oder die zuletzt angeschlagene Ubisoft Aktie gehörten zu den Tagesgewinnern. Logisch: Wer im Lockdown sitzt, flüchtet gerne in digitale, grenzenlose Welten.

embracerÜberraschende Gewinner: Aktien wie die der Embracer Group AB konnten am Black Friday zulegen und sollten in Anbetracht der Lage in Zukunft weiteren Kaufdruck generieren.

Guter Rat ist teuer

Nicht wenige Aktionäre, insbesondere solche, die erst nach dem ersten Corona Crash an die Börse gelangt sind, fragen sich, wie es weitergeht. Welche Taktik lohnt sich? Ausgewählte Werte verkaufen? Das komplette Depot auflösen? Umschichten und auf die Kraft der Impfstoff-Werte setzen? Oder doch lieber absichern und Put-Optionen kaufen beziehungsweise Short-Positionen eingehen? Die Antwort schmerzt: Kein Analyst der Welt verfügt über die viel zitierte Börsen-Glaskugel. Ergo dürfte bei vielen Anlagern zunächst ein großes Fragezeichen bleiben.

Klar ist, dass der jüngste Kurssturz nicht der Letzte gewesen sein dürfte. Die Pandemie wird noch einige Monate für Einschränkungen sorgen – Rücksetzer am Finanzmarkt scheinen vorprogrammiert. Insbesondere die „vierte Welle“ könnte einen turbulenten Winter mit sich bringen, wenn (erneut) Lockdown-Debatten und Hospital-Hilferufe haussieren.

Eigene Meinung: Mit Nachsicht handeln

Unser Tipp: Fokussieren Sie sich auf solide Unternehmen. Die Aktien von TUI & Co. mögen angesichts ihres Comeback-Potenzials reizen, bergen jedoch ein großes Risiko. Insbesondere ein Investment in besagten Reiseveranstalter ist angesichts horrender Schulden und des bröckelnden Filialgeschäfts äußerst spekulativ. Wer hier einstiegt, sichert sich unbedingt per Stop-Loss-Order ab! Apropos Schulden: Grundsätzlich sollten sich die Aussichten für Wachstumswerte eintrüben. Denn die US-amerikanische Notenbank hat bereits eine Zinsanhebung angekündigt. Unternehmen, die ihr Wachstum aus Schulden und nicht aus nachhaltigen Einnahmen finanzieren, dürften in naher Zukunft unter Druck geraten. Schließlich können die Verbindlichkeiten nicht mehr zum „Nulltarif“ zurückgezahlt werden, was wiederum die Bilanzen belasten dürfte! Sollte sich in den kommenden Tagen also eine technische Gegenbewegung durchsetzen, könnte sich diese als ein guter Zeitpunkt für den Verkauf unrentabler Wachstumswerte erweisen.

Demgegenüber könnten die kommenden Wochen für viele Value-Investoren günstige Kaufgelegenheiten bieten. Solide Unternehmen, auch solche aus dem Tourismus-Gewerbe wie etwa die Carnival PLC, sollten sich von dem B.1.1.529. mittel- bis langfristig erholen. Nicht zuletzt Dividendenjäger mit dem Fokus auf den US-Markt könnten von dem Abschwung sogar profitieren. Denn der derweil starke US-Dollar generiert für Aktionäre sogenannter Monatszahler à la Realty Income überdurchschnittliche, regelmäßige Cashflows.

Sie sehen: Das Gebot der Stunde lautet „Ruhe bewahren“. Die Börse übertreibt nur allzu gern und die heftige Korrektur vom 26. November könnte auch den Auftakt für eine erneute Rallye eingeläutet haben. Und gute Nachrichten können ebenso wie schlechte Nachrichten die Runde machen! So oder so: Investments in Unternehmen mit einer hohen Verschuldung und einem margenschwachen oder gar defizitären Business sollten mit Vorsicht getätigt werden. Zinsängste und Inflationssorgen dürften die Aktien solcher Gesellschaften in den kommenden Monaten – langfristig – unter Druck setzen!

Autor: Jan Lauer

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