Basics, Weisheiten und Psychologie
„Die Börse ist wie ein dunkler Raum – je länger man sich in ihm aufhält, desto besser findet man sich zurecht“ – mit diesem Vergleich lässt sich der Lerneffekt am Finanzmarkt passend beschreiben. Das Problem: Bis der Kleinanleger weiß, wie der Hase läuft, verschlingen Fehlinvestments einige Euros. Hinzu kommt, dass nicht wenige Anfänger der Börse nach einigen Wochen oder Monaten den Rücken zuwenden. Deprimiert über die Verluste am freien Finanzmarkt, setzt man wieder auf das Sparbuch und hofft auf ein Comeback der einst unangefochtenen Geldanlage.
Experten sind sich jedoch einig: Für den langfristigen Vermögensaufbau gibt es keine Alternative zu Aktien. Es lohnt sich! Mit den folgenden fünf Grundregeln dürfen Sie schmerzhaftes Lehrgeld sparen, halten die Motivation aufrecht und steigern Ihre Rendite.
1. Perfekter Einstiegszeitpunkt? Ein Märchen
Beim Blick auf so manchen Chart gärt insbesondere in vielen Einsteigern der „Da hätte ich einsteigen sollen“-Gedanke auf. Mit „Da“ ist selbstverständlich der Tiefpunkt eines Aktienkurses gemeint, der dann kurze Zeit später Hunderte Prozent in die Höhe schnellt. Ergo suchen viele Börsianer den perfekten Einstiegszeitpunkt in eine Aktie beziehungsweise einen Fond: Monatelang werden Aktien über Watchlists verfolgt, Kursalarme gesetzt und weltpolitische Entwicklungen abgewägt.
Dieser Prozess kostet Rendite. Nicht wenige Aktionäre klagen darüber, dass Ihnen Aktie XY „davongerannt“ sei. Einige Marktteilnehmer warten gar jahrelang geduldig auf den nächsten Crash, verpassen Kursgewinne sowie Dividenden und verfehlen selbstverständlich die günstigste Gelegenheit Aktien zu kaufen, wenn er denn endlich da ist, der lang herbeigesehnte Crash. Vor allem aber kostet die Suche nach dem perfekten Einstiegszeitpunkt Zeit. Zeit, in der aktiv Geld verdient werden und selbstverständlich investiert werden kann. Nennenswerte Erträge lassen sich nicht auf einen Schlag einfahren, sondern erfordern Ausdauer und Durchhaltevermögen. Es gilt: „Time in the Market beats Timing the Market.”
2. Eine Glaubensfrage: Sparplan oder Einzelkauf?
Wer auf den Faktor Zeit setzt, müsste streng genommen zu Beginn seiner Investmentlaufbahn „All In“ gehen, also sein komplettes verfügbares Kapital in den hiesigen Finanzmarkt investieren. Wie wir in Teil 1 unserer Serie jedoch bereits erörtert haben, spielt das Risikomanagement eine entscheidende Rolle. Kennen Sie Ihre Grenzen und fangen Sie klein an. Wer im Januar 2020 beispielsweise groß eingekauft hat, war wenige Wochen später nur noch halb so vermögend! Die Lösung: Investieren Sie in Tranchen. Durch das Kaufen von Aktien beziehungsweise Fonds wie zum Beispiel ETFs in Stückchen haben Sie die Möglichkeit, von fallenden Kursen zu profitieren (Nachkaufen) oder auf News reagieren und Ihre Anlagestrategie evaluieren beziehungsweise neu ausrichten zu können.
Eine beliebte Möglichkeit zum „Investieren in Häppchen“ stellen Sparpläne dar. Zunächst war diese Art des Vermögensaufbaus Investoren in ETFs vorbehalten. Mittlerweile bieten viele Broker allerdings auch Aktien-Sparpläne an. Der Vorteil: Sie können sich ein Investitionsziel setzen und Summe X auf eine oder mehrere Titel aufteilen. So kaufen Sie zum Beispiel für ein halbes Jahr jeden Monat eine Aktie für 100 Euro und können vom sogenannten Cost Average Effect profitieren. Sie sparen zudem Geld für Ordergebühren, sofern die Sparpläne bei Ihrem Broker kostenlos sind.
Jedoch: Da kaum eine Aktie exakt 100 Euro kostet, landen auch Bruchstücke in Ihrem Depot. Eine SAP-Aktie beispielsweise würde zum heutigen Stand (Anfang September 2021) in unserem Beispiel in Anteilen von 0,795 eingebucht werden. Mittels Sparpläne können Kleinanleger also auch in den Besitz von Aktien mit einem hohen Nennwert wie zum Beispiel einer Aktie der Amazon Inc. gelangen. Allerdings werden für Bruchstücke keine Dividenden gezahlt! Die Einlagensicherung greift ebenfalls nicht: Teilaktien werden der Insolvenzmasse zugerechnet, sollte der Broker pleite machen! Unser Rat: Wer nur geringe Ordergebühren bezahlt oder gar umsonst Wertpapiere kaufen kann, baut sich größere Positionen am besten per Einzelorders auf. ETFs hingegen eignen sich etwas besser für Sparplan-Investments, da hier die Schwankungen geringer ausfallen und in der Regel weit größere Summen investiert werden sollen.
3. Verpassten Gewinnen nachtrauern
Es gibt unzählige Aktien zu analysieren und zu investieren. Die Folge: Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Sie sich innerhalb Ihrer Investoren-Laufbahn die eine oder andere Aktie anschauen, die sich im Anschluss exzellent entwickelt. Und dennoch werden Sie nicht investieren, da Sie das Unternehmen zu Zeitpunkt Ihrer Analyse entweder falsch eingeschätzt haben, kein zu großes Risiko eingehen wollten oder schlichtweg nicht genügend Cash gehortet hatten. Ergo werden Sie sich ebenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit über Ihre Entscheidung ärgern, wenn eine Aktie urplötzlich zum Höhenflug ansetzt und ein Vielfaches an Wert gewinnt. Innerer Unmut droht vor allem dann, wenn die Aktie auf Ihrer Watchlist verweilt und Sie immer und immer wieder den „perfekten Einstiegszeitpunkt“ (siehe Tipp Nr. 1) suchen und verpassen. Irgendwann hat sich die Aktie verzehnfacht. Der lang ersehnte Tenbagger? Dahin! Warum noch weiter investieren, wenn man DIE Chance seines Lebens verpasst hat?
Diesen Quasi-Verlust-Schmerz kennen viele Börsianer. Nicht wenige verzweifeln an ihm und stellen ihr Anlagegeschick grundsätzlich infrage. Ein Fehler! An der Börse sollten Sie nicht versuchen, so vieles wie möglich richtig, sondern so wenig wie möglich falsch zu machen! An der Börse werden Sie (mit hoher Wahrscheinlichkeit) nicht reich, sondern können Ihr Vermögen lediglich vermehren, zumindest aber die Inflation ausgleichen. Ihr Beruf sollte Ihnen den größten „Cashflow“ einbringen und auch den größten Einsatz verdienen.
4. Der Reiz der Pennystocks
Zugegeben: Unternehmen mit kleiner oder sogar sehr kleiner Marktkapitalisierung bieten das größte Wachstumspotenzial – und somit die größte Renditechance. An der Börse feiert jedoch auch im Jahre 2021 die Weisheit „Rendite kommt von Risiko“ Hochkonjunktur. Wer also fleißig in Small oder gar Micro Caps investiert, geht ein hohes Risiko ein. Insbesondere in marktschwachen Phasen geraten Unternehmen mit geringen Cashbeständen und umsatzschwachen Geschäftsmodellen stark unter Druck. Nicht wenige Unternehmen müssen in einer Rezession gar Konkurs anmelden. Auch der deutsche Aktienmarkt hält mit Adler Modemärkte, Steinhoff, Nanogate und der Deutschen Cannabis einige Titel parat, die sich in einem Insolvenzverfahren befinden – und dennoch an der Börse gelistet sind und deren Aktien immer wieder gekauft werden. Für sicherheitsorientierte Anleger gilt: Finger weg!
Wer dennoch in Pennystocks investieren möchte, sollte hierfür grundsätzlich nur einen kleinen Teil seines Kapitals aufbringen und sich entweder auf einen Totalverlust einstellen oder eine Stop-Loss-Order setzen. Vor allem ist eine gute Recherche gefragt: Schauen Sie sich die Bilanzen des Unternehmens an und verlassen Sie sich nicht auf Werbeanzeigen oder sogenannten Börsenbriefen, in denen die nächsten Überflieger angepriesen werden. Auch wenn Pennystocks kurzzeitig steigen mögen und als brandheiße Tenbagger gehandelt werden, verbrennt der Durchschnittsinvestor bares Geld bei einem Investment in „Highflyer“. Insbesondere kanadische Titel gelten aufgrund der geringen Hürden für einen Börsengang an den heimischen Börsen als Spielwiese für Schein-Unternehmen. Hunter Technologies, PowerTap Hydrogen, Halo Collective und Delta 9 Cannabis machen nur vier von vielen, vielen Micro Caps aus, die auch deutschen Anlegern mit ihren Versprechen auf „blendenden Zukunftsaussichten“ in „sicheren Wachstumsmärkten“ einige Euros gekostet haben.
5. Eine lohnenswerte Alternative? In Kryptowährungen investieren
Nicht wenige Broker ermöglichen ihren Kunden den Handel mit Kryptowährungen. Das Problem: Häufig investiert der Kunde nicht in die Währung des jeweiligen Coins, sondern in ein verbrieftes Zertifikat. Exchange Traded Notes (ETN) werden solche Zertifikate genannt und laufen zwar eins zu eins mit der Wertentwicklung des jeweiligen Coins. Der Besitzer eines Zertifikats kann jedoch ausschließlich an der Wertentwicklung partizipieren – das Tauschen des Coins ist ebenso wenig möglich wie dessen Aufbewahrung als ein solcher. Apropos Aufbewahrung: Sollten Sie einen Broker finden, der Ihnen den Kauf eines „richtigen“ Coins anbietet, erfolgt die Verwahrung meist nicht in einer externen Verwahrstelle, sondern auf den Servern einer Partner-Bank des Brokers. Bitcoin & Co. gehören also nicht Ihnen, sondern besagter Bank. Im Worst Case sind die Coins dahin, wenn zum Beispiel die Verwahrstelle gehackt wird. Wer also Kryptowährungen handeln will, meldet sich am besten auf einer professionellen Handelsplattform für Kryptowährungen an und achtet darauf, eine sichere Wallet (eine Art digitales Portemonnaie für Krypto-Assets) zu nutzen. Da auch namhafte Anbieter wie Binance mittlerweile gehackt wurden, raten wir zu der Verwahrung in einer Cold Wallet. Mehr hierzu erfahren Sie in unserem dritten Teil der Serie Investieren in 2021? So klappt der Einstieg in den Finanzmarkt.