Spekulativer Unsinn! Was mit der Börse nicht stimmt. Und worauf sich Anleger 2022 einstellen müssen.

Das Börsenjahr 2021 war trotz – oder gerade wegen – Corona ein gutes Jahr. Notenbanken fluteten die Märkte mit historisch hohen Hilfspaketen, die weltweit führenden Leitindizes beendeten 2021 mit Rekordständen. Doch Experten warnen: Die Bewertungen vieler Werte seien weit entfernt von Gut und Böse. Eine Korrektur? Überfällig! Ein Crash? Möglich!

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Bonuszahlungen ohne Ende

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Gehälter an den hiesigen Finanzmärkten das „Durchschnittseinkommen“ der breiten Masse übersteigen. Doch die tatsächlichen Summen, die Investmentbanken ihren Analysten, Beratern und Managern zahlen, sind für Otto-Normal-Verdiener unbegreifbar. Beispiel Goldman Sachs: Das Investmenthaus will seinen Mitarbeitern für die zurückliegenden 12 Monate einen Bonusaufschlag von 50 Prozent zahlen. In Summe wären dies knapp 210.000 Dollar (184.000 Euro) für eine 40-Stunden-Woche. Zuzüglich des „normalen“ Gehalts!

Die Gründe für diese Rekordzahlungen liegen laut des Ex-Investmentbankers Christopher Flowers auf der Hand: Goldman Sachs und Konsorten hätten durch neue IPO-Strategien wie etwa die 2021 sehr beliebten SPAC-Finanzierungen mühelos Gewinne in Milliardenhöhen eingefahren können. Insbesondere Private-Equity-Gesellschaften verdienen nach Ansicht des Experten mit SPAC-Deals so gut wie nie zuvor. Schließlich sichern sich diese Gesellschaften Unternehmensanteile ihres Protegés bereits vor dem Börsengang zu einem Bruchteil des Emissionspreises und verkaufen diese anschließend mit Renditen von mehreren Hundert Prozent.

Zur Erklärung: Mithilfe einer SPAC (Special Purchase Acquisition Company) gelangen auch umsatzschwache oder gar defizitäre Unternehmen an den freien Finanzmarkt, deren Geschäftsmodell wenig bis gänzlich offengelegt werden muss. Hier spielen weniger Umsätze oder Margen, sondern ausschließlich Visionen eine Rolle. Die Storys dieser Gesellschaften locken vor allem Privatanleger an, die die bereits zum Börsengang sportlich bewerteten Unternehmensanteile in Form frisch ausgegebener Aktien kaufen. Allein in der ersten Handelswoche konnten sich die Aktienkurse vieler SPACs verfünffachen. Mit der Vorlage des Quartalsberichts Nummer eins zeigt die Überflieger-Fassade Risse und die Aktien werden abverkauft.

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„Die Katze im Sack kaufen“ – so lautet das Motto, mit dem ein SPAC an die Börse gelangt. An dieser Stelle sei ausdrücklich vor ein Investment in Mantelgesellschaften gewarnt. Wer hier „ungünstig“ kauft, liegt schnell mit 90 Prozent in den Miesen!

Die beteiligten Investmentbanker haben ein Gespür, wann die SPAC-Blase platzt und sind Meister darin, ihre Anteile rechtzeitig zu veräußern. Sobald die „Großen“ dann ihre Aktienpakete auf den Markt werfen, stürzen die Kurse in den Keller. Paradebeispiele für diese Praktik machen der Vertical-Farming-Newcomer AppHarvest und der Sportartikelhändler Signa Sports United aus. Die Stimmung für besagte Mantelgesellschaften war im letzten Jahr perfekt: Billiges Geld der Notenbanken flutete die Märkte, Zinsen rutschten allmählich ins Negative und die Anzahl neuer Aktionäre, die im Lockdown das Investieren entdeckten, stieg kräftig. Viele junge Marktteilnehmer, die gerne Storys kaufen und wenig bis nichts über Fundamentaldaten wissen, griffen bei so manchem SPAC beherzt zu und beförderten hippe Unternehmen mit charismatischen CEOs an die Spitzen der, vorwiegend in den USA angesiedelten, Top-Performer-Listen. Am liebsten mit der Trading-App vom Handy aus, etwa beim Joggen, Zocken oder Netflix-Serien-Gucken.

Dieser „Spekulative Unsinn“ sollte 2022 ein Ende finden. Zumindest hat das Interesse an SPACs deutlich nachgelassen. Die Erkenntnis, dass Privatanleger mit einem SPAC selten Gewinne machen, findet mittlerweile selbst bei der Kaufentscheidung des spekulativsten Youngstar-Traders Beachtung. Kein Wunder also, dass die involvierten Investmentbanker nicht gerne über ihre Boni sprechen. Kasse machen mit historisch hohen Verlusten unerfahrener Anleger? Im anbrechenden Zeitalter von sozial-umwelt-verträglichen Finanzprodukten keine gute Idee.

Nicht nur SPACS überbewertet

Eine Art Systematische Überbewertung ist auch in Branchen zu erkennen, deren Unternehmen bereits vor Jahren ihren Börsengang feierten und dennoch nach wie vor höchst defizitär wirtschaften. Insbesondere in den Sektoren Biotechnologie, E-Mobilität und Wasserstoff weisen einige Unternehmen eine Marktkapitalisierung auf, die unter „normalen Umständen“ nie zustande gekommen wäre. Gesellschaften wie FuelCell Energy etwa wurden 2020 zeitweise mit Kurs-Umsatz-Verhältnissen (KUV) weit über der 100er-Marke gehandelt. Dem Brennstoffzellen-Experten aus Übersee beispielsweise sprachen Investoren Anfang 2021 ein KUV von knapp 150 zu! Zum Vergleich: Das KUV einer Siemens-Aktie liegt derweil bei rund 1,9.

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Paradebeispiele für Überbewertungen lauern unter anderem im Bereich der Wasserstoff-Gewinnung. Unternehmen aus diesem, wenn auch spannenden, Sektor arbeiten meist defizitär und sind obendrein hoch verschuldet.

Kommt jetzt der Crash?

Droht uns nun 2022 der nächste große Crash? Wohl kaum. Entscheidend für die Kursgewinne 2020 und 2021 waren schließlich die neu generierten Kapitalzuflüsse, insbesondere aus nicht-institutionellen Kreisen. An dieser Stelle sei nochmals auf die oben erwähnten „jungen Marktteilnehmer“ verwiesen. Es stimmt zwar, dass zuletzt viele junge Menschen das Thema Aktien entdeckt haben und sich als Trader versuchen, hierbei äußerst spekulativ und nicht selten irrational handeln. Diesen kurzfristig orientierten Anlegern steht jedoch eine ebenso kaufkräftige und langfristig denkende Gruppe an Aktienjüngern gegenüber. Grund: Themen wie Altersvorsorge, Vermögensaufbau und Aktien generieren derweil in den Sozialen Medien erstaunlich viel Content. Insbesondere auf Youtube und Instagram erreichen derweil Kanäle wie Aktien mit Kopf oder Finanzfluss ein Millionenpublikum. Während und nach des Corona-Crashs gelangten somit viele junge Menschen an die Börse, die tagtäglich Youtube & Co. nutzen. Angesichts der diversen Lockdowns und Kontaktbeschränkungen gab es für diese nächste Generation an Kleinanleger kaum eine Möglichkeit, nicht in Kontakt mit dem Thema Aktien zu gelangen.

Und sogar viele Personen im gehobenen Alter entdeckten zuletzt den freien Kapitalmarkt: Mittels ETFs investieren nun auch der kleine Mann und die kleine Frau von der Straße fernab der 40er in die Weltwirtschaft. Summiert man die monatlichen Sparraten, die im Schnitt bei 50 bis 100 Euro liegen, ergeben sich allein aus Deutschland zusätzliche Kapitalzuflüsse von rund 135 Millionen Euro. Pro Monat! Außerdem: Neben den mittlerweile 12,4 Millionen deutschen Bundesbürgern, die am Kapitalmarkt mitmischen, haben auch unsere Nachbarn die Lukrativität des Investierens entdeckt. Allein der Norwegische Staatsfond, der seine Bürger „verpflichtet“, sich im weltweiten Aktien- und Immobilienmarkt zu engagieren, bringt es mittlerweile auf ein Volumen von rund 1,5 Milliarden Euro!

Dennoch: Der Aktienmarkt steht auf wackeligen Beinen! Das Corona-Virus schlägt nach wie vor um sich und der Großteil an Schwellen- und Entwicklungsländer konnte sich kaum bis überhaupt nicht von den Auswirkungen der Pandemie erholen. Die Gefahr von Mutationen steigt von Tag zu Tag und sollte sich die internationale Impfpolitik nicht maßgeblich ändern, drohen weitere Rückschläge. Eng verknüpft hiermit stehen Lieferkettenprobleme, insbesondere aus Fernost. Werden weiterhin Millionenmetropolen inklusive deren Mega-Häfen allein bei Verdachtsfällen in Quarantäne gestellt, ist vorerst nur mit schleppender Erholung zu rechnen. Weiterer Gegenwind droht aus der, vorwiegend deutschen, Politik, die an ihrem offensichtlich wenig durchdachten Plan zum Kohleausstieg und Atomkraftverzicht festhält. Die explodierenden Energiepreise dürften allem voran Unternehmen aus der produzierenden Industrie weitere Monate, wenn nicht sogar Jahre, im Klammergriff halten und selbstverständlich auf den Aktienkursen solcher Konzerne lasten. Überdies könnten sich anziehende Zinsen negativ auf die Bilanzen junger Unternehmungen mit geringen Eigenkapitalquoten auswirken und auch der Ukraine-Konflikt birgt Risiko für Rückschläge.

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Nach zwei äußerst erfolgreichen Jahren des Bullenmarktes könnte nun eine spürbare Korrektur folgen. Die Bären dürften bei schwachen Quartalszahlen einzelner Unternehmen schnell die Oberhand gewinnen und „Bad News“ aus der Politik könnten den Gesamtmarkt überproportional belasten.

Fazit: 2022 ein Jahr der Volatilität

Unterm Strich bleibt zu sagen: Ja, in einigen Bereichen des freien Finanzmarkts haben sich Blasen gebildet. Der „spekulative Unsinn“ ist ohne Frage zu kritisieren und die Mentalität einiger neuer Marktteilnehmer gibt zu denken. Auch die anhaltende Corona-Pandemie und die steigenden Inflationsraten samt Zinsängste belasten die Stimmung an den weltweiten Börsen. Doch zum großen Crash wird es mit einer an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht kommen. Die Möglichkeiten, mit nur wenigen Klicks eine renditestarke Vermögensanlage aufzubauen, und die schlichte Alternativlosigkeit (Stichwort Immobilienknappheit) sollten den Markt vor einem kompletten Zusammenbruch schützen.

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Das Börsenjahr 2022 wird kein Leichtes werden! Überdurchschnittliche Volatilität, also große Kursausschläge in beide Richtungen, dürften die Aktien sowohl kleiner als auch großer Gesellschaften heimsuchen.

Unser Rat: Nutzen Sie die Investitionsmöglichkeiten des passiven Investierens via ETFs und orientieren Sie sich an den weltweiten Indizes. Aktive Investoren sollten sich auf Unternehmen konzentrieren, die bereits im Hier und Jetzt Gewinne erzielen und im Falle steigender Zinsen keine Unsummen für Kredittilgungen aufbringen müssen. So dürften auch größere Korrekturen Ihr Depot nicht unter Wasser setzen.

Autor: Jan Lauer

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