Varta: Konsolidierung hält an – verpasste Aufstiegschance belastet Kurs

Es ist der erste Tag, den der größte Deutsche Aktienindex, kurz DAX, mit 40 Titeln hinleget. Der Start des „DAX 40“ mit seinen zehn zusätzlichen Werten fällt jedoch enttäuschend aus: Auch mit der Verstärkung schafft man nicht den Sprung aus der seit Wochen anhaltenden Seitwärtsbewegung. Im Gegenteil! Rund 2,6 Prozent geht es am Montag bergab! Und auch außerhalb des neuen DAX läuft es eher schleppend. So etwa bei der Varta AG. Anleger wenden dem Batterieprofi vermehrt den Rücken zu und drücken das Ruder mutigeren Leerverkäufern in die Hand.

Varta

Korrektur im vollen Gange

Am ersten Handelstag mit 40 Aktien erleidet der heimische Leitindex mit den bedeutsamsten Schwergewichten der deutschen Börsenlandschaft einen ungewohnt schweren Rücksetzer. Gänzlich überraschend kommt dieser Schritt allerdings nicht! Zwar zeigte sich der „alte“ DAX zuletzt recht stabil und konnte im Sommer noch so manchen amerikanischen Index outperformen. Anfang des Monats jedoch stießen Inflationssorgen und trübe Wirtschaftsprognosen den DAX in eine Seitwärtsbewegung: Über die letzten Tage rangierte man in einem engen Korridor zwischen 15.700 rund 15.900 Punkten. Am Montag gewannen die Bären die Oberhand und schickten den DAX an die 15.000-Punkte-Marke. Auch die zehn neuen Titel, die den Leitindex agiler machen und die deutsche Wirtschaft realistischer abbilden sollen, konnten den Absacker nicht verhindern.

Grund für den überaus ruckeligen Abverkauf: Der Immobilienriese China Evergrande hat seinen Quasi-Bankrott erklärt und mit dem gestrigen Tag große Teile seiner Verbindlichkeiten nicht zurückzahlen können. Insgesamt stehen dem Konzern zufolge 300 Milliarden US-Dollar aus, die man Banken, anderen Immobilienbetreibern sowie Projektentwicklern schuldet. Die Sorge: Eine Lehman Brothers Pleite 2.0!

Etliche Ökonomen betonten bereits, dass der Vergleich mit dem Bankrott des amerikanischen Finanzhauses hinke und dass eine Rettung durch den chinesischen Staat nicht nur möglich, sondern auch sehr wahrscheinlich sei. Die Angst vor einem erneuten Domino-Effekt, ähnlich wie ihn die Finanzwelt bereits 2008 verkraften musste, schickte die Börsen dennoch auf Talfahrt – weltweit. Besonders betroffen: Banken und Fondsgesellschaften, die China Evergrande Kredite gewährt haben und diese nun unter Umständen abschreiben müssen. So etwa auch die Deutsche Bank, deren Aktie einen herben Rücksetzer zum Wochenstart hinnehmen muss. Rund 7 Prozent verlor der Anteilsschein des größten deutschen Finanzwertes.

Dax30

Der DAX wächst! Neu in der DAX-Familie sind: Airbus, Brenntag, Hellofresh, Porsche SE, Puma, Qiagen, Sartorius, Siemens Healthineers, Symrise sowie Zalando.

Auch Varta weiter im Abwärtstrend

Auch im MDAX spürte man Verkaufsdruck. Der Index des deutschen Mittelstands verlor am Tagesende zwar „nur“ 1,52 Prozent, doch die Abverkäufe fielen mitunter ebenso kräftig wie beim großen Bruder aus. Zu den größten Verlierern unter den verbleibenden 50 Werten gehörte die Varta AG. Nicht zuletzt die verpasste Chance auf einen Aufstieg in den DAX dürfte bei Investoren für Missmut gesorgt haben. Unterm Strich bleibt ein Minus von 6,8 Prozent. So notiert die Aktie des Traditionskonzerns aus Ellwangen zu Börsenschluss bei rund 111 Euro. Besonders deutlich wird der anhaltende Abwärtstrend beim Blick auf das Allzeithoch von 164,5 Euro (9. August 2021). Wer zu diesem Zeitpunkt Varta-Aktien kaufte und nicht rechtzeitig die Reißleine zog, steht mit dem gestrigen Abverkauf rund 34 Prozent in den Miesen!

Minus und Minus macht nicht Plus!

Die Gründe für den Kursverfall bei Varta sind vielseitig. Die verpasste Aufnahme in den DAX darf nicht als ausschlaggebend gesehen werden. Den Auftakt für den Abverkauf lieferten ohne Frage die schlechten Quartalszahlen – das Unternehmensblatt berichtete bereits über die Auswirkungen der Bilanzierung. Neben den grundsätzlich positiven, aus Sicht einiger Analysten dennoch verfehlten Zahlen, drückte das Erstarken der Konkurrenz aus Fernost den Kurs des Elektrospeicherspezialisten. Insbesondere das Wachstum des Elektro-Auto-Batterie-Bauers Samsung SDI macht der Mobilitätsoffensive von Varta zu schaffen. Zuletzt riefen Zweifel an der Kooperation mit Apple weitere Rücksetzer hervor. Denn ob und inwieweit Varta auch weiterhin als Batterielieferant für die kabellosen EarPods des Global Players aus Cupertino agieren soll, steht in den Sternen!

Immerhin: Der jüngste Kursverfall der vergangenen Woche scheint zu einem Großteil sogenannten Shortsellern beziehungsweise Leerverkäufern geschuldet zu sein. Bei einem Leerverkauf werden Aktien „geliehen“, um sie später zu einem günstigeren Preis „umtauschen“ zu können. Eine heikle Methode, die in der Vergangenheit einigen Hedgefonds zwar etliche Milliarden bescherte und dennoch manch einen Manager an den Rande des Ruins stürzte. Wir erinnern uns an den Gamestop-Hype, der in einem Short-Squeeze endete und den Hedgefund Melvin Capital in Zahlungsengpässe brachte! Dass sich hierzulande ähnlich viele Varta-Anhänger wie Gamestop-Fans finden, erscheint jedoch mehr als unwahrscheinlich. Anleger sollten nicht darauf setzen, durch den massiven (Nach-)Kauf von Aktien die Leerverkäufer in die Bredouille bringen zu können. Im Gegenteil! Die Aktie von Varta wird bereits als ein ADR, also als ein American Depository Receipt, gehandelt. Diese Verbriefung an den amerikanischen Märkten dürfte den Druck auf den Hersteller von Knopfzellen „Made in Germany“ nochmals erhöhen.

Zenit überschritten? Aktionäre auf verlorenem Posten?

Was die Zukunft für Varta und dessen Aktionäre bringt, ist ungewiss. Fest steht, dass sich die Baden-Württemberger für den bisherigen Kursverlauf keineswegs verstecken müssen! Die Aktien des Batterieherstellers wurden beim Börsengang (Oktober 2020) zu 17,50 Euro ausgegebenen. Der erste offiziell gehandelte Preis lag dann sogar knapp 8 Euro über dem Emissionspreis (24,25 Euro) – ein Aufschlag von rund 40 Prozent. Summa summarum spülte der Börsengang dem Unternehmen über 150 Millionen Euro in die Firmenkasse.

Heute, nicht einmal ein Jahr später, beträgt der Börsenwert der Varta AG rund 4,4 Milliarden Euro! Der von vielen Anlegern erhoffte Aufstieg in den DAX ist mit dieser Gewichtung allerdings immer noch nicht in Sicht. Zum Vergleich: Der DAX-Neuling Qiagen kommt auf einen Börsenwert von 10,4 Milliarden Euro.

Hoffnungsträger Nummer eins: E-Auto-Batterie

Wie sich der deutsche Batteriehersteller in Zukunft positionieren und einen Turnaround hinlegen möchte, ist und bleibt ungewiss. Zu den aktuellen Bestsellern gehören Mikrobatterien, Haushaltsbatterien und Energiespeichersystemen. Insbesondere die Lithium-Ionen-Akkus von Varta erfreuen sich großer Beliebtheit – nicht nur hierzulande. Die größte Hoffnung ruht jedoch auf einem zunehmenden Engagement im E-Mobility-Business. Denn ähnlich wie der Chemiegigant BASF hat sich auch Varta für den Einstieg in die Elektro-Auto-Batterie-Produktion entschieden. Im Gegensatz zu BASF weigert man sich im Hause Varta jedoch, den Partner beziehungsweise Kunden zu nennen, der bereits in großen Stückzahlen die hauseigene Batteriezelle V4Drive geordert hat.

Die von Varta entwickelte V4Drive im Format 21700 soll mit einer revolutionären Turbo-Ladefunktion ausgestattet und innerhalb von nur 6 Minuten komplett aufgeladen sein. Die ersten Aufträge sollen dem Konzern bereits über 210 Millionen Euro Umsatz eingebracht haben! Problem: Als singuläre Antriebstechnik eignet sich die V4Drive nicht. Die Turbo-Batterie kann demnach nicht als alleinstehende Traktionsbatterie in einem Elektroauto dienen, soll dafür jedoch als Booster in Premium- und Sportfahrzeugen zum Einsatz kommen.

Die Hoffnung auf einen Rebound der Varta-Aktie ist also keineswegs unbegründet. Bereits Investierte dürfen (unserer Meinung nach) an Bord bleiben. Interessierte Neuinvestoren hingegen sollten abwarten, was die kommenden Tage bringen. Für die Weltwirtschaft im Allgemeinen und Varta im Besonderen!

Quelle: deraktionaer.de

Autor: Jan Lauer