Nach Ansicht von Industriepräsident Siegfried Russwurm, ist die deutsche Wirtschaft nicht unbedingt auf Erdgas aus der umstrittenen Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 angewiesen. „Deutschland braucht eine sichere Energieversorgung. Die hängt aber nicht an einer einzelnen Pipeline, auch nicht an Nord Stream 2“, sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI).
Mehr als 50 Prozent seines Gases beziehe Deutschland aus Russland. „Es wäre sicherlich nicht leicht, diesen Anteil kurzfristig komplett oder zu großen Teilen zu ersetzen“, fügte er mit Blick auf den Ukraine-Konflikt hinzu. Seiner Einschätzung zufolge hat sich Deutschland also nicht zu sehr von russischen Energielieferungen abhängig gemacht. „Russland hat bislang immer geliefert, auch in diesem Winter“, sagte Russwurm. „Gas größtenteils von dort zu beziehen war kein Vabanquespiel, sondern zuverlässig und günstig.“ Jetzt stelle sich hingegen die Frage nach besserer Verteilung der Importe.
Russland hatte im Jahr 2020 nach Daten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), einen Anteil von 34 Prozent an den deutschen Erdölimporten. Auf den deutschen Verbrauch bezogen, betrug der Anteil russischer Erdgas-Lieferungen dementsprechend über 50 Prozent. Zu 45 Prozent stammten hingegen die Steinkohle-Importe aus Russland.
„Energierohstoffe in dieser Größenordnung lassen sich nicht kurzfristig substituieren“, sagte der Energieexperte der BGR, Martin Pein, der Zeitung. „Eine Marktstellung, wie sie Russland bei Kohle, Gas und Öl hat, schnell und vollständig zu ersetzen, ist äußerst schwierig bis unmöglich.“ Vergleichbar äußerte sich auch Hubertus Bardt, Leiter Wissenschaft des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln): „Die Möglichkeiten der Substitution von Gas durch andere Energieträger sind beschränkt.“ Das ist allenfalls in kleinen Teilen der Stromproduktion machbar.
Abkehr von EEG-Umlage ist unzureichend
BDI-Präsident Russwurm verlangte – unabhängig von der aktuellen Sorge um die Versorgungssicherheit – erneut eine drastische Senkung der Strompreise. „Akuter Handlungsbedarf besteht in der Belastung durch Netzentgelte und die Stromsteuer. Daher müssen diese deutlich abgesenkt werden“, sagte er den Funke-Zeitungen. Nur mit der von der Bundesregierung angestrebten Abschaffung der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) würden die Konzerne noch nicht an einen global wettbewerbsfähigen Strompreis herankommen. Als befriedigenden Strompreis gibt er dementsprechend vier Cent pro Kilowattstunde an.
Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) verlangt die Abschaffung der EEG-Umlage schon in diesem Jahr und nicht erst 2023. „Aus unserer Sicht ist das zu spät“, sagte VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup der „Augsburger Allgemeinen“. Vor allem für mittelständische Betriebe der Branche sei der momentane Kostenanstieg existenziell gefährdend.
Quelle: www.n-tv.de
Autorin: Sophie Pixis